samstag 4 mai 2013
15:00
Kurzfilmprogramm Nr. 3. (110 Min.)
„Im Sturm der Zeit“
( Kurzfilme aus der Zeit von 1985 bis 2007)
1. Im Sturm der Zeit.
2. Sturm über Ägypten.
3. Ich rieche den Sturm. Mit Peter Berling.
4. Wilde Nacht mit Mond.
5. Frohe Ostern.
6. Als Offizier und Philosoph. Mit Peter Berling.
7. Nietzsches fröhliche Wissenschaft.
1: Wenige Gebäude haben eine so stürmische Zeit erlebt wie der deutsche Reichstag. Eine Geschichte im Zeitraffer.
2: Ein Minutenfilm.
3: Ein holländischer Kapitän, der mit seinem Schiff Sklaven transportiert, denkt über die menschliche Seele nach.
4: Montagefilm, in dem es unter anderem um die Frage des „Engels der Geschichte“ von Walter Benjamin geht.
5: Die Ostertage erweisen sich für viele Menschen als zu kurz, um ein neues Leben anzufangen, und als zu lang, um das alte fortzuführen. Wenn die Produktion stillsteht, nehmen die Unglücke zu. Das Auftreten einer Folge von Unfällen an Ostern.
6: Eberhard von Erbst, Major im deutschen Generalstab und Nietzsche-Anhänger, erlebte in den Schächten und Tunnels des Fort Douaumont die Katastrophe, das ein Flammenwerfer-Depot explodierte. Im selben Augenblick explodiert auch der philosophische Begriff. Ein ÜBERMENSCH war nirgends zu sehen. Es schien aber ein von Menschen geschaffenes ÜBERDING zu geben, das im 20. Jahrhundert die Herrschaft ergreift. Philosophie im Jahre 1916.
7: Mit seinem besten Freund Paul Rée teilte sich der Philosoph Friedrich Nietzsche mehrere Jahre lang eine junge Russin: Lou Andreas-Salomé. Aus der Zusammenarbeit entstanden eine Reihe der schönsten Sprüche, die in Nietzsches Buch Die fröhliche Wissenschaft niedergelegt sind.
15:00
Kurzfilmprogramm Nr. 3. (110 Min.)
„Im Sturm der Zeit“
( Kurzfilme aus der Zeit von 1985 bis 2007)
1. Im Sturm der Zeit.
2. Sturm über Ägypten.
3. Ich rieche den Sturm. Mit Peter Berling.
4. Wilde Nacht mit Mond.
5. Frohe Ostern.
6. Als Offizier und Philosoph. Mit Peter Berling.
7. Nietzsches fröhliche Wissenschaft.
1: Wenige Gebäude haben eine so stürmische Zeit erlebt wie der deutsche Reichstag. Eine Geschichte im Zeitraffer.
2: Ein Minutenfilm.
3: Ein holländischer Kapitän, der mit seinem Schiff Sklaven transportiert, denkt über die menschliche Seele nach.
4: Montagefilm, in dem es unter anderem um die Frage des „Engels der Geschichte“ von Walter Benjamin geht.
5: Die Ostertage erweisen sich für viele Menschen als zu kurz, um ein neues Leben anzufangen, und als zu lang, um das alte fortzuführen. Wenn die Produktion stillsteht, nehmen die Unglücke zu. Das Auftreten einer Folge von Unfällen an Ostern.
6: Eberhard von Erbst, Major im deutschen Generalstab und Nietzsche-Anhänger, erlebte in den Schächten und Tunnels des Fort Douaumont die Katastrophe, das ein Flammenwerfer-Depot explodierte. Im selben Augenblick explodiert auch der philosophische Begriff. Ein ÜBERMENSCH war nirgends zu sehen. Es schien aber ein von Menschen geschaffenes ÜBERDING zu geben, das im 20. Jahrhundert die Herrschaft ergreift. Philosophie im Jahre 1916.
7: Mit seinem besten Freund Paul Rée teilte sich der Philosoph Friedrich Nietzsche mehrere Jahre lang eine junge Russin: Lou Andreas-Salomé. Aus der Zusammenarbeit entstanden eine Reihe der schönsten Sprüche, die in Nietzsches Buch Die fröhliche Wissenschaft niedergelegt sind.
__________________Extra:
Primitive Diversity
Primitive diversity ist ein Ausdruck von der Ostküste der Vereinigten Staaten für den frühen Film. Was Griffith machte, was Edison machte, das nennt sich einfache Vielfalt: Wir kümmern uns um alles, der Mord an Präsident McKinley erschüttert uns, und wir zeigen jetzt auf allen Jahrmärkten, in Coney Island und überall, wo Film vorgeführt werden kann, wie der Mörder auf dem Elektrischen Stuhl hingerichtet wird. Gleich darauf zeigen wir einen Elefanten in Coney Island, wie er hingerichtet wird. Wir zeigen das Brutalste. Wir zeigen eine Gruppe von Räubern aus dem Wilden Westen, wie sie gerade von den Sheriffs gefaßt und sämtlich erschossen werden. Es ist eine schiere Grausamkeit und eine Neugier der Kamera, die aber dieser Brutalität, dem Sensationellen, ganz entgegengesetzt arbeitet. Und diese Ein-Minuten- oder Zwei-Minuten-Filme zeigen die Frühform des Kinos. Das pre-hollywood-cinema hat mit den Entdeckern der Filmkamera, die Wissenschaftler waren, am meisten zu tun. Es umfaßt den ganzen Bogen von Sensationsgier, Neugier, Altgier bis zu den Fähigkeiten, welche die Kamera selbst unmittelbar besitzt, die strikt instruktiv, wissenschaftlich sind und die, ohne daß ich hier sehr viel Bewußtsein brauche, Intelligenzformen enthalten, die zum Kennzeichen der Moderne gehören. Sie sind unterhalb des geschulten Gehirns angesiedelt, sie sind anti-akademisch. Dieses frühe Kino antwortet auf Bedürfnisse von Arbeitsimmigranten in den USA, die aus vielen Ländern kommen, in Not sind und sich ihre Öffentlichkeit im Stummfilm-Kino selbst schaffen. Verblüffung als Erkenntnismittel, das ist primitive diversity.
19:00
In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod (86min.)
„Inge Meier hatte wiederholt das Gefühl, in den falschen Film zu geraten.“
14 Tage im Februar 1973 in Frankfurt am Main. Es ist die Zeit des Karnevals und zugleich die Zeit, in der eine gewaltsame Räumung der besetzten Häuser Schumannstraße/Ecke Bockenheimer Landstraße durch die Polizei stattfindet.
Zwei Frauen ziehen durch die Stadt. Die eine, eine Beischlafdiebin („Weil immer etwas unerfüllt bleibt bei den Männern, nehme ich deren Brieftasche an mich“). Die andere, Rita Müller-Eisert, eine DDR-Kundschafterin („Ich interessiere mich nicht für Staatsgeheimnisse, sondern für die gesellschaftliche Wirklichkeit“).
Den Titel des Films haben wir als Graffiti im Keller eines der besetzten Häuser gefunden. Er entspricht meiner politischen Überzeugung. Der Tango, der am Schluß die Flucht der Beischlafdiebin begleitet, stammt von einer spanischen Band, die nach dem Bürgerkrieg nach Frankreich flüchtete. Das Material des Musikstücks bilden die ersten zwölf Töne der Internationale. Eine Zusammenarbeit mit Edgar Reitz.
„Wo ist die Genehmigung, daß Millionen Schweine einfach machen, was sie wollen, während unsereinem alles verboten ist?“
Darsteller: Dagmar Bödderich, Jutta Winkelmann, Alfred Edel. Regie: Alexander Kluge und Egdar Reitz. Montage: Beate Mainka-Jellinghaus.
In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod (86min.)
„Inge Meier hatte wiederholt das Gefühl, in den falschen Film zu geraten.“
14 Tage im Februar 1973 in Frankfurt am Main. Es ist die Zeit des Karnevals und zugleich die Zeit, in der eine gewaltsame Räumung der besetzten Häuser Schumannstraße/Ecke Bockenheimer Landstraße durch die Polizei stattfindet.
Zwei Frauen ziehen durch die Stadt. Die eine, eine Beischlafdiebin („Weil immer etwas unerfüllt bleibt bei den Männern, nehme ich deren Brieftasche an mich“). Die andere, Rita Müller-Eisert, eine DDR-Kundschafterin („Ich interessiere mich nicht für Staatsgeheimnisse, sondern für die gesellschaftliche Wirklichkeit“).
Den Titel des Films haben wir als Graffiti im Keller eines der besetzten Häuser gefunden. Er entspricht meiner politischen Überzeugung. Der Tango, der am Schluß die Flucht der Beischlafdiebin begleitet, stammt von einer spanischen Band, die nach dem Bürgerkrieg nach Frankreich flüchtete. Das Material des Musikstücks bilden die ersten zwölf Töne der Internationale. Eine Zusammenarbeit mit Edgar Reitz.
„Wo ist die Genehmigung, daß Millionen Schweine einfach machen, was sie wollen, während unsereinem alles verboten ist?“
Darsteller: Dagmar Bödderich, Jutta Winkelmann, Alfred Edel. Regie: Alexander Kluge und Egdar Reitz. Montage: Beate Mainka-Jellinghaus.
21:00
Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos (103 Min.)
Wie schon ihr Vater will die Zirkusunternehmerin Leni Peickert (Hannelore Hoger) die artistische Leistung zu Höhepunkten führen. Zugleich empfindet sie Natürlichkeit als ihr Ideal. Sie will den Zirkus reformieren. Ihre Neuerungen führen zum Bankrott des Unternehmens. „Tut der Kapitalismus, was er liebt, und nicht, was ihm nützt / Wird er von dem, was ist, nicht unterstützt.“
Mit neuem Elan sucht Leni Peickert im privaten Fernsehen nach einer zweiten Chance.
Darsteller: Hannelore Hoger (Leni Peickert), Sigi Graue (Manfred Peickert), Alfred Edel (Dr. Busch). Der Film erhielt 1968 den Goldenen Löwen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.
Wie schon ihr Vater will die Zirkusunternehmerin Leni Peickert (Hannelore Hoger) die artistische Leistung zu Höhepunkten führen. Zugleich empfindet sie Natürlichkeit als ihr Ideal. Sie will den Zirkus reformieren. Ihre Neuerungen führen zum Bankrott des Unternehmens. „Tut der Kapitalismus, was er liebt, und nicht, was ihm nützt / Wird er von dem, was ist, nicht unterstützt.“
Mit neuem Elan sucht Leni Peickert im privaten Fernsehen nach einer zweiten Chance.
Darsteller: Hannelore Hoger (Leni Peickert), Sigi Graue (Manfred Peickert), Alfred Edel (Dr. Busch). Der Film erhielt 1968 den Goldenen Löwen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.
___________________Extra:
Das Fehlen jeder Ratlosigkeit
(Pier Paolo Pasolini)
„Es muß irgend etwas platzen, und wenn die Elefanten mit einem Ballon hochgezogen werden. Der Direktor sagt: Das ist mir alles zu irrational. Aber ich sage: es bringt ein starkes Gefühl“
„Starke Gefühle“ sind eigentlich in diesem Drehbuch von Alexander Kluge [...] nicht vorhanden: Könnte man ein Diagramm davon machen, hätte dies weder Höhe- noch Tiefpunkte. Kein Diagramm könnte regelmäßiger sein: Eine Linie, die aus kleinen, ähnlichen Gipfeln besteht. Die am Anfang geplante Gewalt ebnet alles ein. Kluge legt zwischen den Gegenständen keine Entfernung mehr fest. Es gibt nichts anderes als ihre Sukzessivität: Die narrativen Handlungen ergeben eine extrem dichte Aufzählung, weil jede Handlung ein „Ausdrucksgipfel“ ist, die als solcher nur blitzartig sein kann. Durch die Kürze jeder Filmhandlung entsteht also eine Dauerlücke, die sofort von anderen Handlungen gefüllt, überfüllt werden muß. Diese sind jedoch ähnlich, weil die prädeterminierte Gewalt – wie ich gesagt habe – vereinheitlichend ist. Das Ergebnis ist das trop plein, die Wiederholung, das Anhäufen und die Monotonie. Kurz gesagt, die reine Sukzessivität, die unter der stilistischen Form der „Aufzählung“ entsteht. Was ist jedoch das Ziel dieser irrsinnigen Sukzessivität, dieses aufzählenden Wütens von kleinen, grundsätzlich gleichen Handlungen? Kurz gesagt: Ihr Ziel ist es, noch einmal jene Gewalt platzen zu lassen, welche am Beginn programmiert und dann später von einer Welt zunichte gemacht wurde, in der alles Gewalt ist, und welche also aus Mangel an innerem Widerstreit harmlos – auf irgend eine Weise akademisch – geworden ist. Und das Ziel dieser Sukzessivität im Überschuß ist es zudem, die Bedeutungen herauszunehmen, die in ihrem Funktionieren verloren gegangen sind, weil sie gleichgültig dem Sinn gegenüber wurden. „Wir glauben nicht an einen thematischen roten Faden. Die Substanz muß zusammengefaßt werden. Aber keine Substanz muß zugunsten eines roten Fadens abstrahiert werden“. Das ist die Aussage Kluges. Er will also das Werden der Dinge – jedes mit dem Faden seines eigenen Gedankens – mit ihrer Geschwindigkeit selbst verfolgen: Und also Aufzählungen, Aufzählungen, ein Ding nach dem Anderen, mit keiner „Wirkung“ mehr, denn jedes Ding ist eine „Wirkung“. Aber – ich wiederhole – die „Wirkung“ kommt doch am Ende zustande. Sie ist gerade die Zweckmäßigkeit: Die Tragödie ist das „Entstehen der Dinge in unserem Kopf“. Und der tragische Ausgang besteht darin, daß man von keinem Ausgang sprechen kann. Kluges „geschriebenes“ Werk ist kein Werk der Neoavantgarde, sondern eine Wiederaufnahme der klassischen Avantgarde. Von der Neoavantgarde fehlen die Oberflächlichkeit und die Konstruktionslosigkeit. Dieses Werk ist tief ernst und eigensinnig aufgebaut, obwohl sein Aufbau ein Verfahren ad absurdum ist – dasselbe der Paris-Athener Klassiker des frühen XX. Jahrhunderts. Man kann sogar nicht mit absoluter Sicherheit sagen, daß es keinen „roten Faden“ in ihm gibt. Die „roten Fäden“ sind so viele wie die Werke: man kann sie nicht vermeiden!