freitag 10 mai 2013
19:30
Der große Verhau (90min.)
(1971)
„Gründerjahre im Westen der Galaxie.
1969 wußte man nichts von Star Wars und dem Rüstungsprojekt SDI, das Richard Perle unter Präsident Reagan in den Pentagon-Planungen verankerte, das inzwischen ein fester Bestandteil der Rüstungsplanung der USA ist und das im Jahr 2040 als Weltraumwaffe endgültig installiert sein soll.
Im Science-fiction-Film Der große Verhau herrscht Bürgerkrieg in der Galaxie. Am überlebenstüchtigsten zeigt sich die Suez-Kanal-Gesellschaft, die ihr ursprüngliches Verwertungsobjekt, den Kanal, 1956 verloren hat und nunmehr objektlos, d. h. ungestört, ihre Expansion betreiben kann.
Raumpilot Douglas (Sigi Graue), das Ehepaar Sterr, ein Raumadmiral Bohm (Hark Bohm), der Ingenieur Bodenham (Ian Bodenham leitet heute eine Hauptabteilung im Public Television der USA) und zahlreiches weiteres Personal bevölkern den Kosmos.
„Kurz darauf fingen sie eine Gruppe von 40 Personen, die in kleinen Raumfahrzeugen in die Richtung fuhren, in der angeblich die Industrie verschwunden war.“
19:30
Der große Verhau (90min.)
(1971)
„Gründerjahre im Westen der Galaxie.
1969 wußte man nichts von Star Wars und dem Rüstungsprojekt SDI, das Richard Perle unter Präsident Reagan in den Pentagon-Planungen verankerte, das inzwischen ein fester Bestandteil der Rüstungsplanung der USA ist und das im Jahr 2040 als Weltraumwaffe endgültig installiert sein soll.
Im Science-fiction-Film Der große Verhau herrscht Bürgerkrieg in der Galaxie. Am überlebenstüchtigsten zeigt sich die Suez-Kanal-Gesellschaft, die ihr ursprüngliches Verwertungsobjekt, den Kanal, 1956 verloren hat und nunmehr objektlos, d. h. ungestört, ihre Expansion betreiben kann.
Raumpilot Douglas (Sigi Graue), das Ehepaar Sterr, ein Raumadmiral Bohm (Hark Bohm), der Ingenieur Bodenham (Ian Bodenham leitet heute eine Hauptabteilung im Public Television der USA) und zahlreiches weiteres Personal bevölkern den Kosmos.
„Kurz darauf fingen sie eine Gruppe von 40 Personen, die in kleinen Raumfahrzeugen in die Richtung fuhren, in der angeblich die Industrie verschwunden war.“
____________EXTRA:
Drehbeginn von großer Dringlichkeit
Er war als Kreativdirektor in einem Werbeunternehmen in Frankfurt tätig. Wie viele andere war er in jenen Tagen zu Ende des Jahres 1969 von Entlassung bedroht. Die Werbefirmen führten Rationalisierungen durch. Er hatte Existenzangst.
So war er nach Ulm angereist. Er wollte gefilmt werden. Wenn schon seine Existenz zusammenbrach, wollte er wenigstens künstlerisch in Erscheinung treten.
Wir hatten auf den langen Marmortischen einer der Abteilungen der Hochschule für Gestaltung, die für Modelle und Skulpturen zuständig war, außerirdische Landschaften aus Eisenteilen, Gips und Sand hergestellt. Scheinwerfer, darunter Minispots mit Farbfiltern, verliehen den fremden Planeten das Licht ferner Sonnen. Eine unserer Spezialitäten waren Doppelsonnen. Edgar Reitz hatte die Technik hierfür entwickelt, vor allem für die langsame Bewegung solcher Himmelskörper von Horizont zu Horizont. Wir hatten Methoden hinzugefügt, aus Arztspritzen Benzinflammen als „galaktische Artillerie“ in die Szene hineinschießen zu lassen. Unsere Installationen brannten vorzüglich.
Der „unabweisbare“ Alfred Edel, telegrafisch angekündigt, ließ sich vom Bahnhof abholen. Er erklärte sich bereit, jede Rolle anzunehmen. Hauptsache, der Dreh beginnt noch heute. Wir entwickelten in weniger als einer Stunde den Charakter des einstigen Familienvaters und jetzigen Raumpiloten Willi Tobler. In diesem Zusammenhang ging es auch um die Filmdarstellung im Kosmos: Wie verhalten sich das Licht und die Farben, wenn z. B. drei Sonnen instabil umeinanderkreisen (Dreikörperproblem). Wie kann man sich auf einem Planeten, der den Sirius und dessen Begleiter, Sirius B, in zwei Spiralen umläuft, die Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge vorstellen? Welches Licht strahlen die Sterne und andere Planeten überhaupt aus? Diese Fragen trug ich im Kopf; außerdem beschäftigte die fremde Welt des Kessels von Stalingrad meine Vorstellungen.
Es war Wochenende. Kein Edgar Reitz da, der uns korrigiert hätte. Angesteckt durch den panischen und deshalb eiligen Alfred Edel, selbst voll Eifer und Ungeduld, begannen wir mit den Dreharbeiten. Tags darauf kamen Hark Bohm und seine Frau als Darsteller hinzu („Raumadmiral“).
Drehbeginn von großer Dringlichkeit
Er war als Kreativdirektor in einem Werbeunternehmen in Frankfurt tätig. Wie viele andere war er in jenen Tagen zu Ende des Jahres 1969 von Entlassung bedroht. Die Werbefirmen führten Rationalisierungen durch. Er hatte Existenzangst.
So war er nach Ulm angereist. Er wollte gefilmt werden. Wenn schon seine Existenz zusammenbrach, wollte er wenigstens künstlerisch in Erscheinung treten.
Wir hatten auf den langen Marmortischen einer der Abteilungen der Hochschule für Gestaltung, die für Modelle und Skulpturen zuständig war, außerirdische Landschaften aus Eisenteilen, Gips und Sand hergestellt. Scheinwerfer, darunter Minispots mit Farbfiltern, verliehen den fremden Planeten das Licht ferner Sonnen. Eine unserer Spezialitäten waren Doppelsonnen. Edgar Reitz hatte die Technik hierfür entwickelt, vor allem für die langsame Bewegung solcher Himmelskörper von Horizont zu Horizont. Wir hatten Methoden hinzugefügt, aus Arztspritzen Benzinflammen als „galaktische Artillerie“ in die Szene hineinschießen zu lassen. Unsere Installationen brannten vorzüglich.
Der „unabweisbare“ Alfred Edel, telegrafisch angekündigt, ließ sich vom Bahnhof abholen. Er erklärte sich bereit, jede Rolle anzunehmen. Hauptsache, der Dreh beginnt noch heute. Wir entwickelten in weniger als einer Stunde den Charakter des einstigen Familienvaters und jetzigen Raumpiloten Willi Tobler. In diesem Zusammenhang ging es auch um die Filmdarstellung im Kosmos: Wie verhalten sich das Licht und die Farben, wenn z. B. drei Sonnen instabil umeinanderkreisen (Dreikörperproblem). Wie kann man sich auf einem Planeten, der den Sirius und dessen Begleiter, Sirius B, in zwei Spiralen umläuft, die Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge vorstellen? Welches Licht strahlen die Sterne und andere Planeten überhaupt aus? Diese Fragen trug ich im Kopf; außerdem beschäftigte die fremde Welt des Kessels von Stalingrad meine Vorstellungen.
Es war Wochenende. Kein Edgar Reitz da, der uns korrigiert hätte. Angesteckt durch den panischen und deshalb eiligen Alfred Edel, selbst voll Eifer und Ungeduld, begannen wir mit den Dreharbeiten. Tags darauf kamen Hark Bohm und seine Frau als Darsteller hinzu („Raumadmiral“).
21:30
Willi Tobler und der Untergang der 6. Flotte (78 min. )
(1972)
„Lebenswille breitet sich aus, als die Erde untergeht.“
Im galaktischen Bürgerkrieg des Jahres 2040. Willi Tobler (Alfred Edel) hat eine Frau und zwei Kinder. Nach einem Bombardement aus dem Weltraum entschließt er sich, sich aller Habe, seiner Frau und seiner Kinder, auch aller Vorsätze und Tugenden zu entkleiden. Entlastet von aller Bürde will er für seine Sicherheit sorgen. Er meldet sich zum Dienst in einem fremden Raumsektor bei Raumadmiral Bohm. Sofort wird er Pressesprecher der 6. Raumflotte. Sein Engagement wird ihm zur Falle. Die Machtverhältnisse wechseln. Willi Tobler hat auf die falsche Bürgerkriegspartei gesetzt. Die Kriegsrichterin (Hannelore Hoger) verurteilt ihn zum Tode. Sicherheit nirgendwo.
„Da ich mich bis 16 Uhr entscheiden muß, auf welche Seite des Bürgerkriegs ich mich schlage, habe ich soeben das Studium der Philosophie aufgenommen.“
Darsteller: Alfred Edel, Hark Bohm, Kurt Jürgens.
Willi Tobler und der Untergang der 6. Flotte (78 min. )
(1972)
„Lebenswille breitet sich aus, als die Erde untergeht.“
Im galaktischen Bürgerkrieg des Jahres 2040. Willi Tobler (Alfred Edel) hat eine Frau und zwei Kinder. Nach einem Bombardement aus dem Weltraum entschließt er sich, sich aller Habe, seiner Frau und seiner Kinder, auch aller Vorsätze und Tugenden zu entkleiden. Entlastet von aller Bürde will er für seine Sicherheit sorgen. Er meldet sich zum Dienst in einem fremden Raumsektor bei Raumadmiral Bohm. Sofort wird er Pressesprecher der 6. Raumflotte. Sein Engagement wird ihm zur Falle. Die Machtverhältnisse wechseln. Willi Tobler hat auf die falsche Bürgerkriegspartei gesetzt. Die Kriegsrichterin (Hannelore Hoger) verurteilt ihn zum Tode. Sicherheit nirgendwo.
„Da ich mich bis 16 Uhr entscheiden muß, auf welche Seite des Bürgerkriegs ich mich schlage, habe ich soeben das Studium der Philosophie aufgenommen.“
Darsteller: Alfred Edel, Hark Bohm, Kurt Jürgens.
__________EXTRA:
Roßkur
Der gescheite Filmredakteur des ZDF, der mich „erziehen“ wollte, auch nie die Geduld verlor und mich insgesamt für „entwicklungsfähig“ hielt, beorderte mich an jenem Tag, an welchem der Film Willi Tobler und der Untergang der 6. Flotte vom Sender ausgestrahlt wurde, zum Dienst in der Nachtredaktion. Diese Dienstbereitschaft beantwortet die Telefonate, die während und nach der Ausstrahlung eines Films die Nachtredaktion erreichen. Schon sieben Minuten nach Beginn der Sendung der erste Anruf aus einem Ort nördlich von Hannover. Gleich darauf sechs weitere Anrufe in der Warteschleife. Es waren keine Anrufe, die Zufriedenheit ausdrückten.
Jedem der Anrufer mußte ich unter den Augen des Filmredakteurs Antwort geben. Es war nicht so wie in den Diskussionen mit Kinozuschauern, die ihren Eintritt bezahlt hatten, zum Kino hingegangen waren, die Vorstellung insgesamt bereits gesehen hatten und jetzt, nach diesen Leistungen ihrerseits, in der Diskussion Stellung nahmen; solche Zuschauer mochten ihr vorangegangenes Tun nicht entwerten; sie waren bereit, die Antworten der Filmemacher anzuhören. Sie verteidigten ihre investierte Lebenszeit beharrlich gegen Enttäuschung. Ganz anders die robuste Gemeinde, die vor ihren Fernsehern saß und jetzt zum Telefon griff.
Der Filmredakteur Willi Segler war nicht bereit, die erzieherische Wirkung der Anrufe, deren gewöhnlichen Verlauf er kannte, abzukürzen. Er vermutete, daß ich bei einer nächsten Zusammenarbeit weniger von meinen künstlerischen Vorlieben ausgehen und stärker den Widerstand beachten würde, durch den, wie durch eine rauhe See, ein Großsender seine Fahrt macht.
– Hat vielleicht denen, die nicht anrufen, irgend etwas gefallen?
– Das glaube ich nicht.
Ein großherziger Mann, der damalige Programmdirektor des ZDF, hatte mehr aufgrund meines persönlichen Besuchs als aufgrund seiner Einschätzung des Films (er hatte ihn nicht gesehen, seine Mitarbeiter hatten ihm Gutachten angefertigt) das Werk zur Ausstrahlung angenommen. Der Filmredakteur wiederum hatte auf Widerstand verzichtet, auch aus Neugier, was geschehen würde, wenn man diesen Film im Hauptsender ZDF zeigte.
– Haben Sie mit dem Intendanten geschlafen?
– Nein.
– Dieser Film ist eine Zumutung!
– Welche Stelle meinen Sie denn?
– Alle. Guten Abend (legt auf).
Es zeigte sich, daß die Methode der Filmmontage, im Kino bewährt, für die Fernsehrezeption wenig geeignet war. In der Nacht nach dieser Roßkur nahm ich mir vor, in Zukunft Filme zu machen, die entweder nur im Kino laufen oder aber so in der Wirklichkeit angesiedelt sind, daß sie keine Montage brauchen. Montage, schien mir, sucht etwas sichtbar zu machen, was sich direkt nicht finden läßt, weil es nicht aus sichtbaren Objekten besteht. Das galt z. B. für einen Krieg im Weltraum, der sich über zehn Jahre erstreckt und den ich nicht miterlebt hatte.
Roßkur
Der gescheite Filmredakteur des ZDF, der mich „erziehen“ wollte, auch nie die Geduld verlor und mich insgesamt für „entwicklungsfähig“ hielt, beorderte mich an jenem Tag, an welchem der Film Willi Tobler und der Untergang der 6. Flotte vom Sender ausgestrahlt wurde, zum Dienst in der Nachtredaktion. Diese Dienstbereitschaft beantwortet die Telefonate, die während und nach der Ausstrahlung eines Films die Nachtredaktion erreichen. Schon sieben Minuten nach Beginn der Sendung der erste Anruf aus einem Ort nördlich von Hannover. Gleich darauf sechs weitere Anrufe in der Warteschleife. Es waren keine Anrufe, die Zufriedenheit ausdrückten.
Jedem der Anrufer mußte ich unter den Augen des Filmredakteurs Antwort geben. Es war nicht so wie in den Diskussionen mit Kinozuschauern, die ihren Eintritt bezahlt hatten, zum Kino hingegangen waren, die Vorstellung insgesamt bereits gesehen hatten und jetzt, nach diesen Leistungen ihrerseits, in der Diskussion Stellung nahmen; solche Zuschauer mochten ihr vorangegangenes Tun nicht entwerten; sie waren bereit, die Antworten der Filmemacher anzuhören. Sie verteidigten ihre investierte Lebenszeit beharrlich gegen Enttäuschung. Ganz anders die robuste Gemeinde, die vor ihren Fernsehern saß und jetzt zum Telefon griff.
Der Filmredakteur Willi Segler war nicht bereit, die erzieherische Wirkung der Anrufe, deren gewöhnlichen Verlauf er kannte, abzukürzen. Er vermutete, daß ich bei einer nächsten Zusammenarbeit weniger von meinen künstlerischen Vorlieben ausgehen und stärker den Widerstand beachten würde, durch den, wie durch eine rauhe See, ein Großsender seine Fahrt macht.
– Hat vielleicht denen, die nicht anrufen, irgend etwas gefallen?
– Das glaube ich nicht.
Ein großherziger Mann, der damalige Programmdirektor des ZDF, hatte mehr aufgrund meines persönlichen Besuchs als aufgrund seiner Einschätzung des Films (er hatte ihn nicht gesehen, seine Mitarbeiter hatten ihm Gutachten angefertigt) das Werk zur Ausstrahlung angenommen. Der Filmredakteur wiederum hatte auf Widerstand verzichtet, auch aus Neugier, was geschehen würde, wenn man diesen Film im Hauptsender ZDF zeigte.
– Haben Sie mit dem Intendanten geschlafen?
– Nein.
– Dieser Film ist eine Zumutung!
– Welche Stelle meinen Sie denn?
– Alle. Guten Abend (legt auf).
Es zeigte sich, daß die Methode der Filmmontage, im Kino bewährt, für die Fernsehrezeption wenig geeignet war. In der Nacht nach dieser Roßkur nahm ich mir vor, in Zukunft Filme zu machen, die entweder nur im Kino laufen oder aber so in der Wirklichkeit angesiedelt sind, daß sie keine Montage brauchen. Montage, schien mir, sucht etwas sichtbar zu machen, was sich direkt nicht finden läßt, weil es nicht aus sichtbaren Objekten besteht. Das galt z. B. für einen Krieg im Weltraum, der sich über zehn Jahre erstreckt und den ich nicht miterlebt hatte.
Nachrichten vom Kosmos (31 min.)
1. Einleitung.
2. Geschwister der Sonne.
3. Raumfahrt als inneres Erlebnis.
4. Die innere Struktur eines Neutronensterns.
5. Das Olbers’sche Paradoxon.
6. Ras Algethi, der Prächtige.
7. Schraube verloren, Werkzeug vergessen. Mit Helge Schneider.
1. Einleitung.
2. Geschwister der Sonne.
3. Raumfahrt als inneres Erlebnis.
4. Die innere Struktur eines Neutronensterns.
5. Das Olbers’sche Paradoxon.
6. Ras Algethi, der Prächtige.
7. Schraube verloren, Werkzeug vergessen. Mit Helge Schneider.
_____________EXTRA:
Was Sie an Sternen interessiert, haben Sie einmal gesagt, ist ihre Unbestechlichkeit. Die Koordinaten der Sterne sind nicht manipulierbar.
Die Leuchtfeuer an den Küsten können die Landbewohner so umrücken, daß möglichst viele Schiffwracks aufgrund dieser Orientierungshilfe stranden. Das ist das System der Strandräuber. Und so ist eigentlich alles, was unter menschlichem Einfluß steht und was Näheverhältnisse betrifft in unseren mitteleuropäischen Breiten unübersichtlich. Es ähnelt sehr dem Wolf, der nur die Hand mit Mehl bestreichen und seine Stimme verstellen muß, um die Zicklein zu täuschen und in die Tür hineingelassen zu werden. Menschen, die Grund haben sich zu fürchten in unseren Gefilden, brauchen Orientierung. Sie haben sogar in einem fast nie wolkenlosen Himmel über Europa eine große Not, die Sterne zu sehen und sich zu orientieren. Das war bei Odysseus anders. Der kann Navigation zur See nach Sternen betreiben. Und der kann auch sein Haus, nämlich sein Schiff, umrücken.
Sie blicken gerade in die Vergangenheit. Wohl nur wenige orientieren sich heute noch an den Sternen, um die Richtung oder die Koordinaten zu bestimmen...
Menschen ändern sich nicht so rasch. Wenn die Hirten, die Wandervölker, die Seefahrtenvölker und übrigens auch die, die Ackerbau und Ernte betreiben in Ägypten, so stark angewiesen waren auf die Sterne, dann lebt diese Beziehung zu den Sternen in den folgenden Generationen weiter, auch wenn die Gesellschaft das längst nicht mehr ausübt. Was als Produktivkraft in den Menschen einmal entstanden ist, das verinnerlicht sich, und dreißig Generationen später wirkt es sich erst richtig aus. Nehmen Sie die Menschen, die in den Fabriken gearbeitet haben in den 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts und die Taylor untersucht hat auf Rationalisierung hin (ob man diese Arbeitskraft noch potenzieren kann). Davon sind ja inzwischen die Gehäuse, die Fabriken weitgehend entschwunden, und dennoch ist da eine Prägung erfolgt, die nicht nur Arbeiter und Nachkommen von Arbeitern, sondern ganz im Gegenteil die ganze Gesellschaft betrifft. Und die wirkt sich aus in Form des industrialisierten Menschen, der jetzt an Computern seine Fähigkeiten entfaltet. Die subjektiven Eigenschaften überbrücken einen enorm langen Zeitraum. Und etwas, das objektiv – äußerlich – sie geprägt hat und ihnen gegenüber trat, also die sogenannten objektiven Verhältnisse, die leben fort in Form von subjektiven Echos. – Ich bin Ihrer Grundfrage etwas ausgewichen: Mein Verhältnis zu den Sternen ist indirekt. Natürlich bin ich von Neugier geleitet; ich habe als kleiner Junge Geschichten gehört, das waren die Märchen der damaligen Astronomie: Bruno H. Bürgel, der gab die Zeitschrift „Kosmos“ heraus. Das haben wir als Schüler gelesen. Dies ist aber nur der Ansatz, warum ich mich für Sterne schon immer interessiert habe. Sehr viel später habe ich erst begriffen, warum das eigentlich interessant ist: Weil es außerhalb jeder menschlichen Proportion stattfindet. Diese Relationen interessieren mich: Da zeigt sich das unendlich Kleine, was sich auf der Planckfläche findet, und uns entzogen ist, weil kein Mikroskop es sehen kann, und wir können es auch nicht beeinflussen. Diese Nanowelt und der Kosmos sind die beiden großen grotesken Gegensätze für unsere Froschperspektive in den menschlichen Lebensläufen. Und wir sind ein Teil der astronomischen Geschichte, kein Zweifel. Wir tragen diese Partikel der Vorgeschichte, die alles Leben im Kosmos hatte, in uns herum, ohne sie in nennenswertem, sichtbarem Umfang zu nutzen.
Was Sie an Sternen interessiert, haben Sie einmal gesagt, ist ihre Unbestechlichkeit. Die Koordinaten der Sterne sind nicht manipulierbar.
Die Leuchtfeuer an den Küsten können die Landbewohner so umrücken, daß möglichst viele Schiffwracks aufgrund dieser Orientierungshilfe stranden. Das ist das System der Strandräuber. Und so ist eigentlich alles, was unter menschlichem Einfluß steht und was Näheverhältnisse betrifft in unseren mitteleuropäischen Breiten unübersichtlich. Es ähnelt sehr dem Wolf, der nur die Hand mit Mehl bestreichen und seine Stimme verstellen muß, um die Zicklein zu täuschen und in die Tür hineingelassen zu werden. Menschen, die Grund haben sich zu fürchten in unseren Gefilden, brauchen Orientierung. Sie haben sogar in einem fast nie wolkenlosen Himmel über Europa eine große Not, die Sterne zu sehen und sich zu orientieren. Das war bei Odysseus anders. Der kann Navigation zur See nach Sternen betreiben. Und der kann auch sein Haus, nämlich sein Schiff, umrücken.
Sie blicken gerade in die Vergangenheit. Wohl nur wenige orientieren sich heute noch an den Sternen, um die Richtung oder die Koordinaten zu bestimmen...
Menschen ändern sich nicht so rasch. Wenn die Hirten, die Wandervölker, die Seefahrtenvölker und übrigens auch die, die Ackerbau und Ernte betreiben in Ägypten, so stark angewiesen waren auf die Sterne, dann lebt diese Beziehung zu den Sternen in den folgenden Generationen weiter, auch wenn die Gesellschaft das längst nicht mehr ausübt. Was als Produktivkraft in den Menschen einmal entstanden ist, das verinnerlicht sich, und dreißig Generationen später wirkt es sich erst richtig aus. Nehmen Sie die Menschen, die in den Fabriken gearbeitet haben in den 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts und die Taylor untersucht hat auf Rationalisierung hin (ob man diese Arbeitskraft noch potenzieren kann). Davon sind ja inzwischen die Gehäuse, die Fabriken weitgehend entschwunden, und dennoch ist da eine Prägung erfolgt, die nicht nur Arbeiter und Nachkommen von Arbeitern, sondern ganz im Gegenteil die ganze Gesellschaft betrifft. Und die wirkt sich aus in Form des industrialisierten Menschen, der jetzt an Computern seine Fähigkeiten entfaltet. Die subjektiven Eigenschaften überbrücken einen enorm langen Zeitraum. Und etwas, das objektiv – äußerlich – sie geprägt hat und ihnen gegenüber trat, also die sogenannten objektiven Verhältnisse, die leben fort in Form von subjektiven Echos. – Ich bin Ihrer Grundfrage etwas ausgewichen: Mein Verhältnis zu den Sternen ist indirekt. Natürlich bin ich von Neugier geleitet; ich habe als kleiner Junge Geschichten gehört, das waren die Märchen der damaligen Astronomie: Bruno H. Bürgel, der gab die Zeitschrift „Kosmos“ heraus. Das haben wir als Schüler gelesen. Dies ist aber nur der Ansatz, warum ich mich für Sterne schon immer interessiert habe. Sehr viel später habe ich erst begriffen, warum das eigentlich interessant ist: Weil es außerhalb jeder menschlichen Proportion stattfindet. Diese Relationen interessieren mich: Da zeigt sich das unendlich Kleine, was sich auf der Planckfläche findet, und uns entzogen ist, weil kein Mikroskop es sehen kann, und wir können es auch nicht beeinflussen. Diese Nanowelt und der Kosmos sind die beiden großen grotesken Gegensätze für unsere Froschperspektive in den menschlichen Lebensläufen. Und wir sind ein Teil der astronomischen Geschichte, kein Zweifel. Wir tragen diese Partikel der Vorgeschichte, die alles Leben im Kosmos hatte, in uns herum, ohne sie in nennenswertem, sichtbarem Umfang zu nutzen.